Strategie im Gesundheitswesen

Viele Spitäler müssen Antworten finden, wohin ihr weiterer Weg führen soll. Strategiefragen sind dabei stets mit einer Selektion verbunden. Faktenbasiertes Entwickeln, Kalkulieren und Gegenüberstellen von Szenarien hilft, die Weichen richtig zu stellen. Der Beizug externer Spezialisten garantiert Unabhängigkeit.

Digitalisierung, demografischer Wandel, medizinisch-technischer Fortschritt: auch das Gesundheitswesen ist mit Disruption konfrontiert. Konkret heisst das, dass zum Beispiel das Primat ambulant vor stationär zahlreiche Spitäler auf dem falschen Fuss erwischt hat. Vielerorts liegt ein beträchtliches Ambulantisierungspotenzial brach. Wer es nicht ausschöpft, gerät mehr und mehr unter Druck. Sobald Krankenhäuser sich Fragen nach ihrer Zukunftsfähigkeit stellen, sind viele Partikulärinteressen im Spiel. Entsprechend sind Diskussionen oft intensiv emotional aufgeladen. Auf der einen Seite geht es um Arbeitsplätze. Sobald zudem Bauprojekte ein Thema sind, weit über Berufe in Medizin und Pflege hinaus. Auf der anderen Seite stehen die Wünsche der Bevölkerung. Ihre Mehrheit spricht sich regelmässig für ein teures und umfassendes Leistungsspektrum in unmittelbarer geografischer Nähe aus. Herr und Frau Schweizer gehen im Falle eines Falles lieber auf Nummer sicher: Ein dringliches, vielleicht sogar lebensbedrohliches Problem könnte schliesslich jeden treffen. Kein Wunder schalten sich Lokalpolitiker gern in die Diskussionen ein, um ihre Wiederwahl-Chancen zu erhöhen, auch wenn Gemeinden bei der Spitalplanung faktisch kein Mitbestimmungsrecht mehr haben.

Versachlichung bringt Ehrlichkeit

Anstehende Strategieentscheide rufen somit automatisch viele Köche auf den Plan, die intensiv um die richtige Rezeptur ringen. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch Partikularinteressen Wunschdenken gefördert und Luftschlösser versprochen werden. Abhilfe schafft eine faktenbasierte Entwicklung, Berechnung und Gegenüberstellung von Szenarien. Sie führt zur Versachlichung und so zu ehrlichen, fundierten Einschätzungen. Diese sind im Sinne der Unabhängigkeit insbesondere dank extern beigezogenen Experten gewährleistet. Das ist umso zentraler, als Antworten auf die künftige Strategie immer mit einer Wahl oder besser gesagt einer Selektion verbunden sind. Man spricht sich für die eine Variante aus und verwirft die andere. Selbstredend gibt es daher nicht nur Gewinner.

Prosa, Zahlen, realistisches Preisschild

In der Theorie wirkt es zunächst verlockend einfach: Leistungsangebot und Standort sind die zwei Stellschrauben, an denen man bei der Strategiewahl drehen kann. In der Praxis zeigt sich indessen, dass gerade diese zwei Variablen bei jeder Organisation hochgradig individualisiert zu betrachten sind. Es gilt, in einem mehrstufigen Prozess aus verschiedenen Szenarien die Spreu vom Weizen zu trennen. Um gangbare Lösungen zu identifizieren, führt nichts an einer massgeschneiderten Herangehensweise vorbei. Vorzugsweise verständigen sich die Beteiligten während einer ersten Phase in verschiedenen Gesprächsrunden auf jene Szenarien, bei denen bereits prima vista ein gewisses Potenzial durchschimmert. In einem zweiten Schritt folgen auf die Szenarien zugeschnittene Kalkulationen, so dass jedes Szenario am Ende ein realistisches Preisschild erhält.

Kompromisse ausloten

Selbstverständlich soll man näher in Betracht zu ziehende Szenarien auch während der Kalkulationsphase weiter präzisieren. Dies erhöht die Aussagekraft der Zahlen. Auf der Basis der so erarbeiteten Preisschilder lassen sich Kompromisse bei Kosten und Ertrag möglicher Leistungsangebote ausloten. Wenn die Szenarienrechnung ergibt, dass die Beibehaltung stationärer Behandlungen unweigerlich Defizite generiert, muss das nicht bedeuten, dass nur eine Rosskur, d. h. die Schliessung des gesamten stationären Bereichs Abhilfe schaffen kann. Hingegen sollte man den Mut aufbringen, einzelne Vorhalteleistungen zu hinterfragen: Vom Notfall über den permanenten nächtlichen OP-Betrieb bis zur Geburtsklinik. Im Gegenzug lohnt es sich, nach attraktiven Angebotsnischen Ausschau zu halten. Wem es angesichts der fortschreitenden Spezialisierung gelingt, Kompetenzschwerpunkte mit entsprechendem Fallvolumen in sein Angebot zu integrieren, wird auch bei der Rekrutierung der erforderlichen Fachkräfte im Vorteil sein. 5’000 stationäre Fälle pro Jahr- das der Schwellenwert, ab dem ein rentabler Betrieb unter den herrschenden Rahmenbedingungen greifbar ist. Die Hälfte aller Schweizer Spitäler ist diesbezüglich nicht aus dem Schneider. Umso notwendiger ist für diese Institutionen die Entwicklung intelligenter Szenarien und deren Validierung durch präzise Kalkulationen. Zukunftsperspektiven öffnet meist die Kombination mehrerer Möglichkeiten als gemeinsamer Nenner ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Interessen. Wer sucht, der findet.

Spitaldirektor / CEO, Kantonsspital Obwalden

Dr. Andreas Gattiker: «Strategische Entscheide in Spitälern sind mit Emotionen verbunden. Intern und extern. Umso wichtiger ist es, faktenbasierte und zuverlässige Grundlagen für die Strategiewahl zu haben. H Focus bietet dafür Gewähr.»